Lima Miraflores vs. Centro Historico

Auf den ersten Blick erscheint Lima als vorherbestimmter Wackelkandidat auf der Beliebtheitsskala, aber es lohnt sich auf jeden Fall genauer hinzusehen…schließlich gibt es kaum eine Chance, einen großen Bogen um die Hauptstadt von Peru zu machen, selbst wenn man möchte. Flugzeugflotten national sowie international steuern Lima an und außnahmslos alle großen Fernbusverbindungen verknoten sich hier.

Lima ist Hauptverkehrsumschlagplatz, Millionenmetropole, Smogbrutstätte: Der Anblick der Vorortviertel ist nicht sehr vielversprechend, zudem ist Lima nach Einbruch der Dunkelheit gefährlich, das versichern  Einheimische und der Reiseführer gleichermaßen. Aber ist alles tatsächlich so ungemütlich oder gibt es auch charmante Seiten in Lima?

Ich habe es gewagt einen Vergleich anzustellen, indem ich diese Stadt gleich zwei mal besucht habe und dabei in unterschiedlichen Vierteln abgestiegen bin.

Beim ersten Mal habe ich im Stadtteil Miraflores übernachtet. Ich bin überrascht, wie sauber und sicher (Videoüberwachung nahezu überall) es hier ist – Miraflores bewegt sich in einer gehobeneren Preisklasse, verständlich wenn man bedenkt, dass hier nur Menschen leben, die sich diesen Standard auch tatsächlich leisten können. Ein Spaziergang ungefähr zehn Blocks entlang bringt mich direkt an die Pazifikküste und zeigt mir Tandemgleitschirmflieger, die die Küste entlangfliegen. Ich steige etliche Stufen hinab zum Kiesstrand, flaniere vorbei an etlichen Surfhüttchen und treffe auf braungebrannte Lima-Surferboys, die mich dazu überreden wollen, doch einige Surfstunden bei ihnen zu nehmen. Lächelnd lehne ich ab, meine Hand in das kühle Meer zu halten ist mir genug – ich spüre die tosende Brandung, den eindringlichen Geruch des Salzwassers und die Gischt, die mir die Wassertropfen ins Gesicht bläst. Die Vorstellung, dass vor mir die Weite des Pazifiks liegt, gefällt mir außerordentlich und erfüllt mich mit Ehrfurcht…

Nach meiner Rückkehr aus Huaraz beschließe ich im historischen Kern von Lima zu übernachten. Ich teile mir mit einem Franzosen, den ich im Bus aus Richtung Huaraz kennengelernt habe ein Taxi – die Ironie dabei ist, dass er nach Miraflores möchte: Ich gebe ihm so gut ich kann Auskunft über diesen Stadtteil, es war also nicht verkehrt, dass ich bereits dort war…Unser Fahrer wirkt so chaotisch wie die Straßen von Lima und es ist unbehaglich zu wissen, dass im Kofferraum eine riesige Gasflasche mit an Bord ist, sodass wir unsere großen Rucksäcke in den Fahrerraum quetschen müssen. Der Chauffeur ist offensichtlich überfordert mit unseren unterschiedlichen Adressangaben, er möchte mich zuerst in der Altstadt absetzen und dann nach Miraflores fahren. Er kurvt gefühlt eine Ewigkeit kreuz und quer durch die Straßen, sogar der Franzose hat Mühe, mittels Navi auf seinem Smartphone einigermaßen einen Überblick zu gewinnen. Plötzlich hören wir den Fahrer freudestrahlend japsen: „Centro Historico aqui“, er deutet auf die einzig schöne und von Touristen belebte Staße um sogleich wieder in irgendeiner Seitengasse zu verschwinden. Einige Minuten später hat er es schließlich geschafft und setzt mich punktgenau vor meiner Unterkunft ab, es ist bereits dunkel als ich den beiden Männern im Taxi hinterherwinke…mach es gut lieber Franzose, denke ich noch – Miraflores abends in der Rush-Hour erreichen zu wollen kann dauern. Ich trete noch einmal vor die Tür und erlebe hautnah auf den überfüllten Strassen das pulsierende Lima bei Nacht. Mit beeindruckenden Bildern im Kopf lege ich mich schlafen, bereit für die nächste Etappe…